Artikel 17 (ex Art. 13): Kritische Gedanken und 10 Gründe dafür

[Folgender Text hat keinen Anspruch auf Richtigkeit und stellt nur meine persönliche Zusammenfassung und Sicht zum Thema dar aus meinen aktuellen Recherchen aus verschiedenen Quellen (Links am Schluss des Artikels, gemischt mit persönlichen Gedanken.]

Über die EU-Urheberrechts-Direktive wird momentan viel gestritten. Nächste Woche, am 26. März 2019, soll der finale Text in der Plenarsitzung im Parlament in Straßburg gestimmt werden. Unsere 6 Luxemburger EU-Politiker (Georges Bach, Mady Delvaux, Frank Engel, Charles Goerens, Christophe Hansen, Tilly Metz) sind zur Zeit gegen den Text. Hier in Luxemburg hört man auch verhältnismäßig wenig über das Thema; in den Medien wird kaum darüber geschrieben. Und wenn, dann ziemlich oberflächlich und nicht gut recherchiert und oft nur auf die ominösen »Uploadfilter« runtergebrochen und Artikel 13 (jetzt 17) obwohl die Reform noch aus ganz anderen Artikeln besteht.

Ich hab mich die letzten ca. 3 Wochen mit dem Thema beschäftigt weil es auch ein Thema für mich ist als Musiker/Kreativer und weil ich Mitglied in der SACEM (Luxemburger GEMA) und der sog. «Commission Consultative des Ayants droits» (Kommission der Anspruchsberechtigten) und da das Thema auch aufgekommen ist. Diese Direktive ist schon wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sehr juristisch und trocken, aber gerade weil so wenig darüber zu finden ist, möchte ich hier gerne einen kurzen Einblick geben und die Kritischen Punkte herausheben – aber auch (und das geht oft unter), die postitiven Aspekte der Reform. Das heißt jetzt nicht dass ich zum Urheberrechtsexperte mutiere, ich geb nur weiter das ich bis jetzt »gelernt« habe. 

Urheberrechtsdirektive Artikel 13

 

Um was geht es?

Der Kern der Diskussion geht darum, dass Kreative fairer vergütet werden sollen, dass man Lizenzen haben muß wann man kreative Inhalte von anderen weiter verbreitet (im Internet) und dass das Urheberrecht nicht mehr an unsere digitalen Zeiten angepasst sind. Große Plattformen die Inhalte hosten (à la YouTube) sollen in die Verantwortung genommen und regularisiert werden. Was jetzt viele befürchten, ist, dass ihre Freiheiten beschnitten werden könnten und dass die Gefahr der Zensur besteht.

Punkto Lobbyismus hat die Gegenseite (Google/YouTube a Co.) natürlich viel unternommen, aber es gab auch diele Lobbyisten-Meetings übers Copyright-Thema aus dem Pro-Lager. Hier ist eine gute Quelle: https://corporateeurope.org/en/2018/12/copyright-directive-how-competing-big-business-lobbies-drowned-out-critical-voices

Der Text von Artikel 13 (jetzt 17) de Copyright Direktive findet man hier (auf Englisch) mit Kommentaren der Pro-Seite:
https://www.article13.org/article-13.

oder im PDF des Parlaments hier:
http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2018-0245-AM-271-271_EN.pdf

Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß! Wie man oft in der Politik hört, sind die Inhalte wichtig, also in diesem Fall der Text über den verhandelt und abgestimmt wird.

Zu den einzelnen Punkten des Artikel 17 (ex Art. 13) Text

Weil es in den Diskussionen hauptsächlich immer um YouTube als Paradebeispiel geht, obwohl auch andere Plattformen betroffen sein werden von der Direktive, rede ich in den folgenden Beispielen auch von YouTube und beziehe mich noch auf die 13er Nummerierung.

13.1

Der Online Content Sharing Provider soll eine Genehmigung vom Rechteinhaber bekommen. Ok, aber mit wem genau? Mit mir direkt? Weiter hier drunter.

13.2.

Bis jetzt haftet der Nutzer Nutzer dafür wenn er etwas rauflädt und keine Rechte dazu hat. Die Plattform erst nach Kenntnis. Jetzt soll die Plattform schon vor dem Upload dafür haften. D.h. es müssen im voraus Lizenzvereinbarungen getroffen werden. Aber Lizenzen mit wem genau und in welcher  Form? Muss YouTube Verträge mit jedem einzeln machen? Wie soll das gehen? Jeden Tag werden auf YouTube 1 Milliarde Stunden Videomaterial rauf geladen. Oder kann man Lizenzen nach Maß kaufen, so nach Abo-Modell? Wenn ja, bei wem?

13.4.

Das ist der Abschnitt wo sie alle »Uploadfilter« schreien. 13.4. b/c geht auch nur MIT Uploadfilter, anders ist es schwer möglich. Offiziell wird aber von »Erkennungs-Software« geredet um es abzuschwächen … Werke müssten im voraus irgendwo hinterlegt sein – oder nur eine Form von digitalem Wasserzeichen/Daten – um sie erkennen zu können falls ein anderer ohne Lizenz das Werk rauf laden möchte. Wo müssten diese Werke dann hinterlegt werden? Es müsste schon irgendwo zentral gespeichert werden weil wenn es nur bei YouTube hinterlegt ist, könnten sie ja trotzdem über eine andere Plattform ihren Weg ins Netz finden woe die Erkennung dann nicht greift. D.h. alle Plattformen der gesamten Welt müssten auf eine gemeinsame Datenbank zurückgreifen um eventuell Urheberrechtsverletzungen im voraus zu entdecken. Ziemlech irrealistesch? Zudem müsste ja da ALLES raus geladen werden was irgendwann einmal veröffentlich werden KÖNNTE, aber nicht muss …
Außerdem – wenn ich irgendwo ein Werk hinterlege, z.B. in so einer Datenbank, dann heißt das ja noch gar nicht dass ich auch der Urheber davon bin. Da könnte ja irgendjemand etwas was hochladen und behaupten es wäre seins … so wie jetzt auch?

Wenn es keine Genehmigung vom Rechteinhaber gibt, dann soll der Provider verantwortlich und haftbar sein. Aber für was? Für konkrete Werke? Muss der Provider pauschal mit jedermann Lizenzen abschließen? Oder nur mit den Großen (große Labels etc.)? Und zu welchem Zeitpunkt? Direkt wenn man startet mit einer Plattform oder erst nach 3 Jahren? Es wird gemunkelt es sollen neue globale Verwertungsgesellschaften extra geschaffen werden für den Zweck …

13.4a

Haftet YouTube nicht wenn sie alle Anstrengungen unternommen haben, eine Genehmigung von mir zu bekommen, wie es im Text steht? Aber dann müssten sie mit jeder Person einzeln verhandeln oder wie?

13.5.

YouTube ist die einzige Plattform die mit »Content ID« eine Technologie hat die so einer »Erkennungssoftware« nahe kommt. Allerdings sind wir noch lange nicht so weit, dass die KI die da drin ist alles erkennen und auch den Unterschied zwischen Memes, Satire und Karikaturen machen kann die ja laut Artikel 13.5b erlaubt sind. Wie soll das gehen in der Praxis? Wo soll YouTube in der Sekunde vom Upload mit wem was abklären?

13.8.

Wenn es Streit gibt, muss Abhilfe geschaffen werden. Wenn Inhalte gelöscht werden, muss es eine menschliche Überprüfung geben. Wie soll das funktionieren bei Millionen von Löschanfragen? Zum Schluss frage ich mich, was mit den ganzen Inhalten passiert den es ja momentan schon im Netz überall gibt und der ohne Lizenz verbreitet worden ist? Diese müssten theoretisch rückwirkend überall gelöscht werden.

Also kleinere Plattformen die nicht die Kapazitäten haben, große juristische Abteilungen, oder auf der ganzen Welt tätig sind und mega Technologien entwickeln, werden deutlich benachteiligt unter Artikel 13. Weil wenn sie mehr als 3 Jahre auf dem Markt sind, fallen sie voll drunter. Hier wird der Unternehmergeist nicht gefördert.

P.S.: in einer Diskussiounsrunde #jetztwirdgeredet live auf YouTube hat die deutsche grüne Politikerin Dr. Helga Trüpel unsere Luxemburgische Firma Jamendo als Beispiel genannt für den Einsatz von günstigen Uploadfiltern für kleine Firmen.

10 Gründe FÜR die Copyright Reform

Bei all diesen (berechtigten) kritischen Gedanken zum Text der teilweise unlogisch erscheint für Leute die im Alltag viel mit modernen Medien zu tun haben, gibt es trotzdem auch positive Punkte hervorzuheben:

1)

Plattformen wie Deezer, Spotify, Apple Music usw. kaufen Lizenze von Usern um sie danach der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dann gibt es auf der anderen Seite die Plattformen die »User Uploaded Content« verbreiten (Bsp.: YouTube, Soundcloud, Dailymotion usw.). Auf all diesen Plattformen findet man massenhaft urheberrechtlich geschützte Werke. Das Ziel der Direktive ist es, die 2. Kategorie mehr an die erste heranzuführen. Das schafft faire Wettbewerbsbedingungen. Die großen kommerziellen Plattformen werden ihre Dienste auch nach der Direktive nicht einstellen.

2)

In Deutschland z.B. findet fast die Hälfte des Musikstreamings auf Plattformen wie YouTube statt (weltweit 46% über YouTube im Jahr 2017). Diese Form, Musik zu konsumieren trägt aber nur 1,9% zum Branchenumsatz der Musikindustrie bei. (Quelle: IFPI, International Federation of the Phonographic Industry > PDF Download). Das soll mit der Direktive geändert werden durch eine fairere Gegenleistung.

3)

Bis jetzt wälzen die großen Plattformen jede Verantwortung zur Klärung von Urheberrechten an ihre User ab. Artikel 13 will die User aus der Haftung befreien und im Gegenzug die Plattformen mehr in die Verantwortung nehmen. Das heißt aber auch nicht dass sie jetzt für jedes nicht-lizenzierte Video auf ihrer Plattform haften sollen.

4)

Die Regelungen der EU-Direktive gelten NICHT für nicht-kommerzielle Dienste wie Online-Enzyklopedien (Wikipedia), Plattformen aus dem Bereich Bildung und Wissenschaft, Software-Entwicklungsplattformen (Bsp. Github usw.), Online-Marktplätze (Amazon, eBay usw.) und Cloud-Dienste (Dropbox, Google Drive usw.) oder auch Foren. Also alle Plattformen bei denen der Hauptzweck nicht darin besteht, große Mengen an urheberrechtlich geschützten Werken zugänglich zu machen, sind ausgenommen.

5)

Plattformen müssen nicht für jeden urheberrechtlich geschützten Inhalt separat Lizenzen kaufen. Die am meisten gefragte Inhalte wie Musik- oder Bildrechte können über sog. Blankett-Lizenzen gekauft werden, so dass sie also vom gesamten Repertoire (von einer Verwertungsgesellschaft wie der Sacem/GEMA z.B.) profitieren können. Der User kann dann Inhalte legal und ohne weitere Lizenzierung auf die Plattform hochladen.

6)

Startups und kleine Firmen werden privilegiert. Erst wenn sie pro Monat mehr als 5 Millionen individuelle Besucher auf ihrer Plattform verzeichnen können, müssen sie auch ihre bestmöglichen Anstrengungen unternehmen um nicht-lizenzierte Inhalte (über die sie von den Urhebern informiert worden sind), dauerhaft von ihrer Plattform zu löschen.

7)

Uploadfilter stehen im Text nicht drin. Es geht eher darum, dass Online-Plattformen nicht-lizenzierte Inhalte die von den Rechteinhabern gemeldet worden sind, dauerhaft löschen. Löschungen und Sperrungen sollen durch ein »human review» geprüft werden um unrechtmäßiges Löschen (Zensur) zu vermeiden. Wie man sich vielleicht erinnert, hatte die GEMA in Deutschland nach 6 Jahren, Ende 2016 Erfolg damit, dass YouTube jetzt eine Pauschale für Musikstreams bezahlt. Auch wenn viele User sich am Anfang aufgeregt haben, hat das Ganze aber letztendlich nicht zu einer Abschaltung von YouTube geführt. Die Aufregung um Uploadfilter geht im Kern an der eigentlichen Richtlinie vorbei. Verschiedene Filter kommen auch jetzt schon auf allen großen Plattformen zum Einsatz.

8)

Die Plattformen müssen dem User ein effektives und schnelles Verfahren zur Verfügung stellen um eine Klage einzureichen. Bis jetzt geht das meistens nicht und es ist so schwierig für den Einzelnen, etwas zu unternehmen.

9)

Es geht bei der Copyright Direktive nicht darum, im Internet mehr zu zensieren, sondern eigentlich darum, dass mehr Lizenzvereinbarungen abgeschlossen werden. Dies soll in der Praxis zu mehr Sicherheit des Anwenders  führen, geschützte Werke legal und ohne Angst vor Sperrungen auf Plattformen hochladen zu können und führt dazu dass Kreative eine entsprechende Gegenleistung für die Nutzung ihrer Werke erhalten.

10)

Memes un Parodien suwie Satire und Karikaturen etc. sind befreit von den Regelungen.

Ein paar wichtige Links und Quellen:

https://www.article13.org

https://wbs.is/artikel13-analyse (PDF)

https://gema-politik.de/artikel-13-fragen-und-antworten-neu/

https://saveyourinternet.eu

http://webschauder.de/downloads/Hassold%20Kritik%20EU-Urheberrechtsrichtlinie.pdf

http://webschauder.de/pledge2019-old-wine-in-new-wineskins/

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